Montag, 23. Mai 2016

Ab ins Gras - aber immer schön langsam

Zugegeben, wir schielen schon manchmal sehnsüchtig ins grasgrüne Gras. Wäre schön, sich von morgens bis abends die Backen vollzustopfen. Aber das ist momentan noch nicht drin. Da sind unsere Zweibeiner ganz eisern. Das Wetter hat uns bisher ja auch wirklich einen Strich durch die Weiderechnung gemacht: Regen, Regen, Kälte, Hagel und Schnee. Weidegang lag da in weiter Ferne. Erst jetzt macht der Frühling so langsam seinem Namen alle Ehre. Die Sonne lässt nun endlich die Gräser sprießen.

Insofern dürfen wir seit drei Wochen Gras zupfen, täglich etwas mehr, so dass wir uns langsam aber sicher dem Ganztagsparadies in Grün nähern. Das richtige Anweiden, das heißt langsames Gewöhnen ans Gras, ist enorm wichtig, um Koliken, Rehe und Durchfälle zu vermeiden. Und anders als viele glauben, ist die vorsichtige Umstellung auf Gras nicht nur für Ponies oder rehegefährdete Kollegen vorbehalten, sondern wirklich für uns alle. Auch unsere muhenden Freunde bilden da keine Ausnahme.
                                                                                                             
 




So sehen Weidenwonnen aus. Immerhin dürfen wir jetzt schon für drei Stunden ins Gras. Das lohnt sich ja wenigstens...


 

 

 

 

 

Eine Winterweide hat nicht jeder


Nicht jeder ist mit einer Winterweide gesegnet, was den Übergang zur Sommerweide erleichtern würde, weil unser Verdauungstrakt damit gar nicht erst rigoros vom Gras entwöhnt würde. Doch dieses Glück haben aber nur wenige Pferde. Auch uns ist es nicht vergönnt, so dass wir spätestens ab Mitte, Ende November (hängt immer vom Wetter ab) nur noch von Heu, Kräutern und etwas Hafer leben. Das heißt, unser Verdauungssystem kommt während der Winterphase nicht mit Gras in Berührung, sondern konzentriert sich auf die Verstoffwechselung von strukturreichen Bestandteilen wie Heu und Stroh.

Da unser Verdauungssystem sehr komplex ist, können Veränderungen in der Darmflora sehr schnell zu sehr negativen Folgen führen. Verschiebt sich beispielsweise der pH-Wert kommt es zu einem massenhaften Absterben jener Darmbakterien, die für eine reibungslose Verdauung zuständig sind. Der Begriff massenhaft ist hier nicht übertrieben. Pro Gramm Pferdeäpfel werden rund zwei Millionen Bakterien vernichtet. Das hat die Entstehung von Endotoxinen zur Folge, die zu schweren Stoffwechselstörungen führen, wie beispielsweise der gefürchteten Hufrehe.

Von der Wichtigkeit einer intakten Darmflora


Um zu verstehen, was sich da im Darm tut, und warum eine gesunde Darmflora lebenswichtig, ja manchmal sogar überlebenswichtig ist, hole ich jetzt mal ein bisschen aus. Schließlich muss ich mal wieder meinem Ruf als Schlaumeier gerecht werden;-) Es gibt im Volksmund ein altes Sprichwort, das da lautet: „Der Tod sitzt im Darm“ und stammt aus einer Zeit, da die Medizin noch in den Kinderschuhen steckte und man vorzugsweise mit Klistieren und Aderlässen herumdokterte. Doch wie in jeder Volksweisheit steckt auch hier etwas Wahres dahinter, wenngleich heute der Darm als Sitz der Gesundheit bezeichnet wird. Das hat einen simplen Grund: Der Darm ist das größte Immunorgan des Körpers. Und zwar logischerweise nicht nur von uns vierbeinigen Schönheiten sondern von allen Lebewesen. Somit ist der Darm nicht nur Verdauungssystem, sondern auch der Hauptsitz des Immunsystems. In der Darmschleimhaut befindet sich sogenanntes lymphoidales Gewebe, in dem rund 80 Prozent der Antikörper produziert werden, die sogenannten Immunglobuline. Diese sind für eine kämpferische Immunantwort zuständig, wenn irgendwelche Fremdlinge, also Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten versuchen, sich im Organismus einzunisten, um dort die Oberhand zu gewinnen. Um das zu verhindern, ist eine intakte Darmflora vonnöten. Zu den wichtigsten Kämpfern in der Abwehrriege gehören die Lymphozyten, die in den Lymphknoten des Darms, wo immerhin 80 Prozent aller Lymphknoten sitzen, produziert werden. Lymphozyten sind kleine weiße Blutkörperchen, die im Blut und den Lymphbahnen als Polizisten auf Streife gehen. Sie sind unermüdlich unterwegs und durchforsten den Organismus gezielt nach Krankheitserregern, um ihnen umgehend den Garaus zu machen. Dieses hochsensible System funktioniert reibungslos. Es sei denn Störenfriede tauchen in so großer Zahl auf, dass die Immunzellen nicht mehr hinterherkommen. Die Abwehr schwächelt, der Körper wird krank.

Die Sache mit den Fruktanen


Und hier kommen wir wieder zum Gras, nicht dass ihr denkt, ich hätte mich jetzt im Nirwana der Medizin verirrt und den Faden verloren. Keine Chance;-) Also im Frühjahr ist die Natur auf Wachstum aus. Alles soll grünen, blühen und gedeihen, auf dass der Nachwuchs - die Fohlen kommen darum auch im Frühjahr zur Welt - ausreichend Nahrung findet. Daher ist das Gras im Frühjahr besonders reich an Eiweiß und Kohlenhydraten, vor allem an Fruktanen. Und jetzt wird es brenzlig. Fruktane werden ja nicht erst seit gestern als Verursacher von Reheschüben verteufelt. Bei Fruktanen handelt es sich um Mehrfachzucker, also Kohlenhydrate. Diese werden von den Pflanzen als Energiezwischenspeicher genutzt und zwar in den Stengeln der Gräser. Im Gegensatz zur Stärke, die in den Blättern gespeichert wird. Mit diesen Kohlenhydraten hat unser Verdauungssystem aber so seine Schwierigkeiten. Diese Mehrfachzucker werden in unserem Dünndarm durch bestimmte enzymatische Vorgänge verdaut. Wenn wir nun zuviel dieser Kohlenhydrate aufnehmen, kommt unser Verdauungssystem nicht mehr hinterher und sie rutschen unverdaut in den Dickdarm. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Da unsere Darmflora auf diese Masse von Kohlenhydraten noch nicht eingestellt ist, bilden sich Milchsäurebakterien in so großer Zahl, dass die wichtigen Bakterien, die die Cellulose aufschließen sollen, von ihnen verdrängt werden und absterben. Das heißt: die guten Darmbakterien werden von bösen Darmbakterien vernichtet, das sensible Gleichgewicht im Darm ist zerstört. Bei diesem Kampf Gut gegen Böse entstehen sogenannte Endotoxine, das sind giftige Zerfallsstoffe, die nun in die Blutbahn gelangen. Die dramatischste Folge erleben viele vierbeinige Freunde als Hufrehe. Sie ist nicht nur furchtbar schmerzhaft, sondern kann lebensbedrohlich werden. Aber auch wenn es nicht zu einer Hufrehe kommt, so bleiben immer noch schwere Darmentzündungen, Koliken, Kotwasser und Durchfälle.

Beim Anweiden im Frühjahr ist also höchste Vorsicht geboten. In den meisten Ställen hat sich ja der 1. Mai als Tag des Weideauftriebs etabliert. Wer da mitziehen muss, sollte vier Wochen vorher mit seinem Pferd an der Hand mit dem Grasen beginnen. Das ist nicht immer ganz einfach, weil - wie in diesem Jahr - das Wetter oft solche Kapriolen schlägt, so dass kontinuierliches Anweiden schwierig ist. Trotzdem sollte es jeder versuchen, dem die Gesundheit seines Vierbeiners am Herzen liegt.






Lenardo, der kleine Gierheimer,
kriegt die Backen wieder mal nicht voll genug;-)


 

 

 

 

 

Ein paar Regeln zum richtigen Anweiden


Und letztlich ist das richtige Anweiden auch gar nicht kompliziert, wenn man sich an ein paar Regeln hält.

1. Regel: Der Beginn der Weidesaison muss sich nach der Höhe des Grases richten, nicht nach irgendeinem Datum. Mindestens 20 Zentimeter müssen die Gräser hoch sein. Sind sie zu kurz, ist der Fruktananteil sehr hoch und es besteht die Gefahr, dass Erde mit aufgenommen wird, was zu Verdauungsproblemen führt.

2. Regel: Vor dem ersten Graskontakt immer Heu füttern, auf keinen Fall Kraftfutter, denn auch da sind Kohlenhydrate drin, so dass sich die Aufnahme vervielfachen würde. Also Heu satt vorher, damit wir uns nicht ganz so gierig ins Gras stürzen. Auch nach dem Grasen kein Kraftfutter geben, sondern Heu.

3. Regel: Immer schön langsam ins Gras. 15 Minuten am ersten Tag sind völlig ausreichend, auch wenn wir Vierbeiner das ein wenig anders sehen und uns am liebsten vollstopfen würden. Dann jeden Tag um 15 Minuten steigern. Zweiter Tag also 30 Minuten und so weiter. Minimum der Anweidezeit beträgt zwei Wochen, besser sind aber vier. Nur so kann sich unser sensibles Verdauungssystem auf die neue Ernährung umstellen. Wer also den 1. Mai als Termin im Auge halten muss, sollte am 1. April mit dem Anweiden beginnen.

4. Regel: Zeigt sich Durchfall, sofort die Weidezeit wieder reduzieren und mehr Heu füttern.

5. Regel: Kalte Nächte und sonnige Tage sind gefährlich, vor allem für rehegefährdete Pferde, da das Gras dann besonders viel Fruktane enthält.

6. Regel: Wenn aus irgendwelchen Gründen die Anweidezeit für mehr als drei Tage unterbrochen wird, muss man wieder von vorne beginnen.

Und nach vier Wochen steht dann einem ungetrübten Weidevergnügen nichts mehr im Weg. Wir sind nun in der dritten Woche und fühlen uns rundum wohl. Nur unsere Äppel haben sich etwas verändert, die sind nämlich jetzt grüner;-)

Mittwoch, 6. Januar 2016

Wenn wir in die Jahre kommen

Altwerden ist ein Thema, das die Zweibeiner gerne ausklammern. Für sich und für uns auch. Aber wenn man bedenkt, daß wir geboren werden, um zu sterben, dann ist das Altwerden und am Ende der Tod doch nur eine folgerichtige Entwicklung. Trotzdem wird es weitgehend ausgeklammert, zumal in der Gesellschaft der Zweibeiner, die von einem völlig verrückten Jugendwahn geprägt ist. Für uns Pferde, Tiere im Allgemeinen, ist das absolut bedeutungslos. Wir machen uns über das Altwerden, Sterben und den Tod keine Gedanken. Doch darum geht es mir heute nicht. Sondern um - Überraschung;-) - die Ernährung älterer Pferde. Trotzdem lasse ich euch mit dem Thema Tod nicht vom Haken, denn ich habe dazu kürzlich etwas Hochinteressantes gelesen, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Aber das ist ein anderes Feld und wird später beackert.

Jetzt also die Ernährung älterer Pferde. Das wurde durch Ria, fast 25, für unsere Zweibeiner zu einer hochbrisanten Angelegenheit. Bei einem Zahnarztbesuch, Anfang letzten Jahres, mussten ihr drei Zähne entfernt werden. Die waren entweder abgebrochen oder wackelten, was ihr ziemliche Schmerzen beim Kauen verursachte. Der Zahnarzt veranstaltete ein hübsches Blutbad (ich habe es genau gerochen), machte seinen Job aber ganz ordentlich. Und da es für uns keine Kronen, Gebisse oder ähnlichen Schnickschnack gibt, wie ihn die Menschen kennen, müssen wir mit den Lücken mehr oder weniger gut leben. Bei Ria ging das erst einmal weniger gut. Aber dass sie abnahm, war anfangs noch nicht so recht zu erkennen, zumal sie noch im April ziemlich langes und dickes Winterfell hatte. Die Zweibeiner waren nur heilfroh, dass sie offensichtlich wieder besser und schmerzfrei kauen konnte. Wir bekommen seither auch alle gequetschten Hafer. Das sei für Ria besser und auch für Lenardo, sagte der Zahndoktor, denn mein Freund ging ebenfalls der Kaufläche, allerdings nur eines Backenzahnes verlustig.

Drastischer Gewichtsverlust


Aber auch wenn Ria offenkundig wieder vernünftiger kauen konnte, hatte sie jetzt öfter mal mit einer Schlundverstopfung zu kämpfen. Vor allem nachdem sie ihre heißgeliebten Möhren oder einen Apfel gegessen hatte. Einmal war sogar der Hafer die Ursache. Und zwar so schlimm, dass der Tierarzt kommen musste. Nasenschlundsonde wurde gelegt, das volle Programm. Armes Mädchen, denn sowas ist ziemlich unangenehm. Natürlich fragte die Frau Doktor gleich, ob die Zähne gemacht worden seien. Das konnte selbstverständlich bejaht werden. Was war los mit unserer alten Dame? Mit der Zeit konnte man nun dabei zusehen, wie sie an Gewicht verlor. Und das, obwohl sie den ganzen Tag Heu zur Verfügung hat, wie wir alle. Außerdem war inzwischen Weidezeit fast rund um die Uhr angebrochen, und wir konnten uns wirklich satt essen. Also die Tierärztin geholt. Erstmal Blutprobe gemacht. Die war ohne negativen Befund. Später tippte Frau Doktor auf Verwurmung. Die Zweibeiner haben also fleißig an verschiedenen Tagen Rias Äppel gesammelt und die Kotproben dem Pferdedoktor mitgegeben. Das Ergebnis war, vorsichtig formuliert, irritierend. Es wurden keine Würmer gefunden, und zwar absolut gar keine. Selbst auf mehrfaches Nachfragen kam aus dem Labor die Antwort, Ria habe keine Würmer. Damit dürfte unsere Lady ein weltweit einmaliges Exemplar sein. Über Entwurmung habe ich ja schon ausführlich geschrieben. Entscheidend sind die Eier pro Gramm (EPG) im Pferdemist. Bei weniger als 200 kann man beruhigt die Hufe hochlegen. Dass ein Pferd nicht das klitzekleinste Würmchen haben soll, ist schlechterdings nicht denkbar. Denn wir leben schon seit Jahrtausenden mit einer gewissen Anzahl an Würmern, und das auch ohne große Probleme. Es sei denn, die kleinen Viecher nehmen überhand. 

Aber ein Tierarzt wäre ja kein Tierarzt, würde er, selbst in diesem äußerst unwahrscheinlichen Fall völliger Wurmfreiheit, nicht doch noch zu einer radikalen Wurmkur raten. Und zwar gleich den ganz großen Rundumschlag, damit die nichtvorhandenen Parasiten auch garantiert über den Jordan gehen. Gottlob sind unsere Zweibeiner plietsch und haben das rundweg abgelehnt. Was ergibt das denn für einen Sinn, einem angeblich total wurmfreien Pferd eine chemische Keule zu verpassen? So etwas nennt man blinden Aktionismus und wird in Tierarztkreisen (im Humanbereich übrigens auch) gern genommen, wenn man nicht mehr weiter weiß.

Dafür schrillten jetzt bei unseren Zweibeinern sämtliche Alarmglocken. Mit Riechen stimmte etwas ganz gravierend nicht, soviel war sicher. Sie hatte ständig Hunger, nahm ab, Würmer glänzten durch Abwesenheit, auch das Blutbild war in Ordnung. Was also war mit ihr los? Und so langsam dämmert es: Das hatte mit ihren fehlenden Zähnen zu tun. Jetzt wurde Fachliteratur gewälzt, ein paar pharmaferne Spezialisten kontaktiert, anstatt mich zu fragen. Ich hätte es ihnen ja sagen können. Aber mich konsultiert ja keiner...

Fakt ist: Die Futterverwertung bei Ria funktionierte nicht mehr so, wie sie sollte. Die fehlenden drei Backenzähne hatten zu einer mangelhaften Kaufläche geführt, die kein einheitliches, besser gesagt, so gut wie kein Mahlen mehr erlaubte, weil einfach der Kontakt fehlte. Heu, vor allem langstengeliges und hartes, kann auf diese Weise nicht mehr adäquat zerkleinert und damit auch nicht mehr verdaut werden. Das gilt selbst für Gras, wenngleich das aufgrund der weicheren Konsistenz noch besser verwertet werden kann. Außerdem wird Gras mit den Schneidezähnen gerupft und die sind bei Ria ja noch in Ordnung, so dass sie wenigstens das Grünzeug einigermaßen aufschließen konnte. Heu hingegen muss kräftig mit den Backenzähnen zermalmt werden. Das schaffte sie nicht mehr. In Folge dieser fehlenden Kaufähigkeit hat sie enorm viel abgenommen. Irgendwann sah sie aus wie ein alter Klepper mit herausstehenden Knochen. Und das, obwohl sie gleichzeitig gefuttert hat wie ein Scheunendrescher. Heu und Gras den ganzen Tag, und abends noch eine Ration Hafer. Trotzdem hatte sie ständig Hunger, weil einfach nicht ausreichend in ihrem Organismus ankam. Dadurch wurde sie verständlicherweise auch ein wenig unleidlich.






Beim Anweiden im April war bereits deutlich erkennbar, daß Ria rapide an Gewicht verlor, obwohl sie den ganzen Tag futterte.


 

 

 

 

Heucobs waren die Rettung


Hier gibt es nur eine Lösung, und die heißt eingeweichte Heucobs. Die sorgen für die notwendige Rauhfutteraufnahme und dafür, dass wir nicht einfach verhungern. Nachdem für unsere zweibeinigen Freunde die Ursache feststand, starteten sie einen Großeinkauf: Heucobs vom Feinsten mit vielen Kräutern wurden zentnerweise in Säcken angekarrt. Ria wurde langsam auf die neue Nahrung vorbereitet. Glücklicherweise mochte sie die Heucobs von der ersten Ration an. Die dufteten auch sehr angenehm. Leider bekamen wir davon nichts ab, sondern durften ihr nur Gesellschaft leisten, wenn sie sich den Magen vollschlug. Dreimal täglich, jetzt, wo es so kalt war, sogar viermal, wandern nun eingeweichte Heucobs in ihren Magen. Pro 100 Kilo Körpergewicht können bis zu 1,5 Kilo verfüttert werden. Tja, und dann haben die Zweibeiner täglich geschaut, ob es auch schon anschlägt und bei jedem Millimeter gejubelt. Viele sagen nämlich, ältere Pferde würden nur sehr schwer wieder zunehmen, wenn sie erst einmal abgenommen haben. Aber Ria hat alle eines Besseren belehrt. Und wir haben natürlich Tag für Tag die Hufe gedrückt. Nach ungefähr zwei Monaten zeigten sich die ersten Erfolge doch deutlich. Sie wurde runder, die Kuhlen an den Flanken füllten sich langsam, ihr Fell glänzte mit ihren Augen um die Wette. Und wieder zwei Monate später lief sie wie eine junge Stute, galoppierte mit uns über die Weide und war voller Elan und Lebensfreude. Wir haben uns alle gefreut wie verrückt. Vor allem ich, als Herdenchef. Was hätte ich denn ohne meine Leitstute getan? Für diesen Job taugt der Shettyzwerg Lilly ja nun wirklich nicht. Und die beiden anderen, Lenardo und Poker sind zwei Spielkälber, die haben immer nur Flausen im Kopf. Die ganze Arbeit bleibt ja an mir und Ria hängen. Ich war also heilfroh, dass meine alte Dame wieder auf die Hufe gekommen ist. Und natürlich mümmelt sie auch weiterhin ihr Heu (Gras sowieso), das ist ja auch Beschäftigungstherapie und sorgt für Ausgeglichenheit und Wohlbefinden. Ihre schlechte Laune ist jedenfalls verschwunden.

Ria ist mit ihren Kauproblemen weder ein Einzelfall noch etwas Besonderes. Das ist bei uns Pferden einfach eine ganz normale Entwicklung und Alterserscheinung. Im Laufe der Jahre verschwinden unsere Zähne kontinuierlich durch den Zahnabrieb. In der Jugend haben wir etwa zehn Zentimeter lange Kronen mit einer rauhen Schmelzeinfaltung, die das Zermalmen von Nahrung ermöglicht. Pro Jahr schiebt sich der Zahn um zwei bis drei Millimeter aus dem Zahnfach heraus, wird aber gleichzeitig um genau diese zwei bis drei Millimeter abgenutzt. Das heißt, die Krone wird immer kürzer. Im Alter von 20 bis 30 Jahren ist bei den meisten von uns nur noch ein ziemlich kümmerlicher Wurzelrest vorhanden. Keine Schmelzeinfaltung, keine Rauhigkeit mehr, das Zerkleinern der Nahrung wird irgendwann unmöglich. Wie rasch der Abrieb vonstatten geht, hängt allerdings stark mit der Ernährung zusammen, die diesen Abrieb beeinflusst. Und davon, ob der Zahnarzt regelmäßig unser Gebiss kontrolliert. Der bleibt meiner alten Dame auch in Zukunft nicht erspart. Damit Haken, Kanten und Stufen oder gar lose Zähne entfernt werden können.

Keine Frage, in freier Wildbahn würden wir im Alter verhungern. Denn dort gibt es keinen Pferde-Zahnarzt und keiner, der uns Heucobs einweicht. Dass manche von uns dennoch ein geradezu methusalemisches Alter erreichen können, trotz mangelhafter Kaufläche und fehlender Zähne, haben wir allen treusorgenden Zweibeinern zu verdanken.

Donnerstag, 21. Mai 2015

In unserer Futterkrippe lauert Gefahr

Heute geht es wieder einmal um mein Lieblingsthema, die Ernährung. Ihr kennt ja die zahllosen Futtermittel, mit denen die Pferdebedarfs-Industrie jedes Jahr Millionen verdient. Müsli mit Kräuter und ohne, mit Bananenschnipseln oder Rote Bete-Geschmack, mit Hafer oder ohne, für kauträge Senioren und wachsende Fohlen, für schlanke Traber und ewig hungrige Ponies, für Kollegen, die viel, wenig oder gar nicht arbeiten, für Fußkranke und Darmgestörte.

Ganz ehrlich, nicht nur den Zweibeinern schwirrt da der Kopf. Und wir können nur sagen: Halt, Stopp! Alles auf Null und mal kurz nachgedacht. Es wäre wirklich nicht das Schlechteste, wenn sich der Mensch wieder einmal in Erinnerung ruft, dass wir äußerst genügsame Wesen sind. Wenn für irgendjemanden der Satz gilt „Weniger ist mehr“ - dann für uns. Heu (ad libitum), Kräuter, Stroh, ein Salzleckstein und bei Bedarf (aber wirklich nur dann!) Hafer als Kraftfutter, dazu naturbelassene Vitamine und Mineralien. Und das alles von bester Qualität. Alles andere ist überflüssig.

Dennoch werden wir tagein tagaus mit Müslis gefüttert, die mit chemischen Zusätzen angereichert wurden. Uns macht das zu Dauer-Patienten beim Tierarzt. Denn die Beimischung mit synthetischen Vitaminen und Mineralstoffen gehört wohl zu den größten Fehlentwicklungen in der Pferdefütterung, die bei uns die nachhaltigsten Schäden hinterlassen. All die künstlichen Substanzen wirken sich sehr negativ auf unsere Gesundheit aus. Das gilt auch für die so gerne zugesetzte Melasse, die keinerlei Nährwert hat, sondern appetitanregend wirken soll und doch nur dazu führt, dass unsere Darmflora gravierend gestört wird, wegen des hohen Zuckergehaltes und der schädlichen Keime. Aufgrund der schnellen Verderblichkeit der Melasse werden zur Konservierung unter anderem Zitronen- und Propionsäure zugesetzt. Also noch mehr künstliche Stoffe. Folgeerkrankungen sind programmiert. Aber die Auswirkungen sind nicht immer sofort erkennbar. Und wenn Probleme auftreten, werden sie nur selten mit der Fütterung in Verbindung gebracht. Dann wird herumtherapiert, ohne an die eigentliche Ursache heranzukommen. Und wir werden zusehends kränker.




Sieht auf den ersten Blick ganz lecker aus, das Müsli. 
Die synthetischen Zusatzstoffe
 darin sind allerdings eine 
tickende Zeitbombe.

 

 

 

 

 Chemie verändert die Erbsubstanz


Aus der Molekular- und Zellbiologie ist schon länger bekannt, dass synthetische Zusätze die Erbsubstanz verändern und diese Veränderung logischerweise weitervererbt wird. Das gilt für Mensch und Tier gleichermaßen. Dass diese künstlich hergestellten Substanzen für den Menschen schädlich sind, ist hinlänglich bekannt. Dass auch wir sie nicht verwerten können, ist ebenfalls längst kein Geheimnis mehr. Warum also wird uns dieses Zeug immer noch gefüttert? Gut, ich weiß, damit die Futtermittelindustrie nicht in die Insolvenz getrieben wird. Das kann jedoch nicht auf unsere Kosten gehen. Da müssten die sich etwas anderes einfallen lassen. Aber das ist nun ein ganz anders Thema.

Künstlich produzierte Stoffe führen im pferdischen Organismus ein höchst gefährliches Eigenleben:

1. Der gesamte Stoffwechsel wird auf unkontrollierbare Weise manipuliert, mit negativen Auswirkungen auf das Immunsystem, das a) nicht mehr richtig reagieren und daher Krankheiten begünstigt und b) überreagiert und allergische Reaktionen auslöst. Das Wobbler-Syndrom etwa wird auf eine Wachstumsstörung der Halswirbel zurückgeführt, die durch die Verfütterung chemisch angereicherter Futtermittel entsteht. Entmineralisierung durch künstliche Minerale. Auch chronische Erkrankungen werden vermehrt in Zusammenhang mit synthetischen Futtermitteln gebracht, da unser Organismus diese Stoffe weder verwerten, noch komplett ausscheiden kann, und auf diese Weise gezwungen ist, ein regelrechtes Giftdepot anzulegen.

2. Synthetische Vitamine greifen in den Hormonstoffwechsel ein und können sowohl hormonelle, als auch eine pseudohormonelle Wirkung auslösen. Klassisches Beispiel ist das Vitamin A, als Provitamin und Vorstufe von Betacarotin bekannt. Betacarotin kann die Rosse der Stute beeinflussen. Denn das Provitamin reguliert unter anderem die Ausschüttung des Gelbkörperhormons in den Eierstöcken. Ein Mangel führt zu Zyklusstörungen, ein Überschuss zu verstärktem Auftreten der Rosse. Eine Überdosierung von Vitamin A wird zudem als Auslöser von Ekzemen diskutiert. Beim Vitamin E gibt es Hinweise, dass es die Fruchtbarkeit von Stuten beeinflusst. Ein Mangel an Vitamin E ist übrigens bei Weide- und Heufütterung ohnehin ausgeschlossen. Vitamin D wiederum bestimmt den Kalzium/Phosphorstoffwechsel. Zuviel von diesem Vitamin führt zu einer Entgleisung des Knochenstoffwechsels, zu chronischen Gefäß- und Nierenverkalkungen. Eine sehr hohe Dosierung kann sogar tödlich sein. Zumal Vitamin D überhaupt nicht substituiert werden muss, da unser Körper (wie auch beim Menschen) dieses Vitamin durch die Sonneneinstrahlung selbst bildet. Auch kennt die medizinische Literatur keinen Vitamin D-Mangel bei Pferden. Derartige Zusätze unterliegen also der freihändigen Entscheidung von Futtermittelherstellern. Denen stehen zwar Ernährungsberater zur Seite, deren Objektivität man jedoch in Zweifel ziehen darf.

3. Ähnlich sieht es bei der Mineralstoffanreicherung aus, die als wilde Mischung in Müsli und Co. auftaucht. Viele Zweibeiner legen großen Wert darauf, dass ausreichend Magnesium zugefüttert wird, um die Schreckhaftigkeit ihrer Pferde zu verringern. Da ist jedoch der Wunsch der Vater des Gedanken. Zwar benötigt das Pferd (wie der Mensch) Magnesium und reagiert bei einem Mangel mit Stressreaktionen, die der Zweibeiner fälschlicherweise als Ängstlichkeit interpretiert. Fakt ist: Magnesium ist ein wichtiges Mineral, das den Herzmuskel schützt, indem es die Aufnahme von Kalzium kontrolliert. Zu einer Unterdosierung kommt es, wenn im Kraftfutter ein Kalziumüberschuss vorhanden ist, was fast immer zutrifft. Denn über die richtige Mischung von Magnesium und Kalzium macht sich offensichtlich auch niemand Gedanken. Magnesium wird nur minimal zugesetzt. Da Kalzium aber ein Magnesiumräuber ist, holt er sich das bißchen, das vorhanden ist und löst damit einen Magnesiummangel aus. Es nützt also auch nichts, Futter mit einem höheren Magnesiumgehalt zu kaufen, solange Kalzium die Übermacht hat. Das richtige Verhältnis wäre hier 3:1 (drei Teile Magnesium, ein Teil Kalzium). Auch Spurenelemente wie Kupfer, Mangan, Eisen oder Zink werden in ihrer Aufnahme durch Kalzium behindert.

4. Ein sehr spezieller Fall liegt beim Spurenelement Selen vor. Für Mensch und Tier ist es gleichermaßen wichtig für das Immunsystem und den Abbau von Stoffwechselzwischenprodukten, die bei der Muskelarbeit entstehen. Ein Mangel an Selen führt zu ernährungsbedingter Muskeldegeneration, ein Überschuss im schlimmsten Fall zum Tod, da dieses Spurenelement sehr giftig ist. Seit einigen Jahren ist Selen allerdings richtiggehend in Mode gekommen. Ein Schelm, der dabei an Finanzzuwächse in der Futtermittelbranche denkt. Haben die ganzen Selenbeigaben im Futter uns gesünder gemacht? Im Gegenteil. Es wurden weitere Probleme produziert, die wiederum mit anderen Pülverchen und Medikamenten bekämpft werden.

Wieso merkt niemand etwas?


Merkt denn da niemand etwas? Und stellt sich keiner die Frage, wie früher unsere Brüder und Schwestern ohne Selenzufütterung überlebt haben, und dabei harte Feldarbeit leisten oder gar in den Krieg ziehen mussten? Auf die einfachste Lösung kommen die wenigsten: Dass es am Futter liegt. Denn genau das ist es, was sich über Jahrzehnte hinweg gravierend verändert hat. Weg von natürlicher Fütterung, hin zu einem chemischen Mischmasch. Im Klartext heißt das: Auch wenn ein Pferd früher einen niedrigeren Selenwert hatte, konnte das mit dem pferdegerechten Futter offenbar wieder ausgeglichen werden. Heute, wo nur einseitige Gräser, statt vielfältiger Kräuter wachsen, wo statt gutem Hafer synthetische Müsli gegeben werden, wo chemisch aufbereitete Pülverchen und Mixturen in den Futtertrögen landen, ist das Pferd nicht mehr in der Lage, einen kleinen Selenmangel zu kompensieren. Anstatt aber nun auf eine pferdegerechte Ernährung umzustellen, greift der Mensch zur Selensubstitution. Warum? Weil es der Tierarzt empfiehlt, dem es von seinem Pharmareferenten ans Herz gelegt wurde. Beide haben wenig bis kein Interesse an der Pferdefütterung (oft genug auch keine Ahnung) und sind nur an einer klingenden Kasse interessiert. Klingt schlimm? Ist es auch. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Verflechtungen von Veterinären und der Pharmaindustrie die der Humanmedizin bei weitem übersteigen.

Und unsere Zweibeiner? Die meinen es gut und verlassen sich auf den Tierarzt. Außerdem ist es einfach. Ein Pülverchen hier, ein Pülverchen da und schon ist das Problem gelöst. Wenn es denn nur so wäre. Allein schon bei der Dosierung von Selen scheiden sich die Geister. Zwei Milligramm pro Tag sagen die Experten. Aber ab zwei Milligramm, so ist von Ernährungswissenschaftlern zu hören, werden bereits chronische Vergiftungserscheinungen bei Großpferden nachgewiesen. Da kommt man schon mal ins Grübeln. Als Mensch, und als Pferd sowieso. Und wer sich dann noch die Mühe macht, verschiedene Laborergebnisse zu vergleichen, kann ohnehin nur noch die Mähne schütteln. Als Normalwerte im Blut werden 80 bis 150 Mikrogramm Selen angegeben. Ein anderes Labor meint aber 28 bis 133 seien völlig in Ordnung, ein drittes siedelt die Normalwerte zwischen 140 und 250 an und ein viertes bei 50 bis 150. Wer mag wohl diese Werte so hübsch freihändig festgelegt haben? Was davon zu halten ist, lässt sich mit einem Wort beschreiben: Nichts! Und mit zwei Worten ist die Lösung aus dem Dilemma aufgezeigt: Pferdegerechtes Futter. Selbst pharmaunabhängige Ernährungsexperten geben zu, dass die zusätzliche Gabe von Mineralstoffen wissenschaftlich noch nicht en detail geklärt ist. Das heißt: Keiner weiß nichts, aber alle empfehlen fröhlich herum.







Kräuter sind das beste, was der Mensch uns anbieten kann. Immer wieder neue Mischungen, so wie es die Jahreszeit vorgibt.

 

 

 

 

 

 

Heu und Kräuter

 

Wie sieht pferdegerechte Ernährung also aus? Als erstes weg mit dem ganzen synthetischen Giftzeug. Gutes Heu zur freien Verfügung (in Heunetzen) Stroh zum Knabbern, Salzleckstein, ein wenig Hafer. Vitamine und Mineralien, aber bitte natürlich gebundene, in Form von Kräutern und Muschelkalk. Es ist empfehlenswert, die Kräuter jahreszeitlich abzustimmen. Im Frühjahr wachsen andere, als im Herbst. Und wenn es irgendwie möglich ist, verschafft uns die Chance, zumindest an ein paar Sträuchern zu knabbern, wenn es schon keine Kräuterwiesen mehr gibt. Wie wäre es mit ein paar Heckenrosen auf dem Paddock (oder Weide), wegen der Hagebutten. Die sind mit ihrem vielen Vitamin C hochgesund und außerdem wurmaustreibend. Auch Brombeere, Holunder, Esche, Schlehe, Weißdorn, Hasel und Vogelkirsche nehmen wir gerne zwischen die Zähne.

Ob ein Nährstoffmangel vorliegt, wird den meisten Pferdebesitzern in der Regel nicht entgehen, wenn sie auf äußere Anzeichen achten: Glänzt das Fell, ist das Auge klar und wach, gibt es Veränderungen im Temperament? Einmal im Jahr empfiehlt sich ein Blutbild, vor allem bei älteren Pferden, auch wenn die Ergebnisse (siehe Selen) mit großer Vorsicht zu genießen sind. Sollten sich wirklich Mangelerscheinungen zeigen, nicht zu künstlichen Mitteln greifen, sondern gesunde Alternativen suchen, die sich mit Kräutern meist ganz einfach finden lassen.

Und wenn wir schon mal dabei sind, nehme ich mir jetzt auch noch ein paar Obst- und Kohlsorten vor, die uns verfüttert werden und die - ich muss es gestehen - wir auch zu und zu gerne verdrücken: Bananen (wobei ich die persönlich absolut nicht mag), Karotten (hhmm, lecker), Äpfel (himmlisch), Birnen (auch nicht schlecht) und Rote Bete (sehr gerne). Bananen sind für uns allerdings gar nicht so bekömmlich, wahrscheinlich kommt daher meine intuitive Abneigung. Jedenfalls nicht mehr als eine pro Monat anbieten, da sie Kalium enthalten, was wir nicht gut verstoffwechseln können. Karotten sind wirklich schmackhaft, aber auch nicht ungefährlich, weil sie sehr nitrathaltig sind, insbesondere die beliebten Futtermöhren. Besser sind Biomöhren, da diese einen bestimmten Nitratgehalt nicht übersteigen dürfen. Davon aber auch nicht mehr als zwei Kilo pro Tag. Denn eine zu große Menge kann zu Durchfall oder Kotwasser führen. Der hohe Nitratgehalt trifft auch auf die Rote Bete zu. Davon also auch nicht mehr als zwei Kilo pro Tag. Äpfel sind echte Leckerbissen. Wir haben zwei eigene Apfelbäume auf dem Paddock und sind daher nicht auf die Spendierfreudigkeit unserer Zweibeiner angewiesen. Aber solange unsere noch nicht reif sind, bringen sie uns immer mal wieder welche mit. Äpfel übersäuern allerdings schnell den Organismus. Mehr als zwei pro Tag sind daher nicht zu empfehlen. Birnen schmecken auch prima, aber die gären im Magen nach und können Koliken verursachen. Einmal wöchentlich eine Birne muss reichen und wenn´s gar keine gibt, ist auch gut. Es ist übrigens ein Ammenmärchen, dass wir mit Obst unseren Vitamin-Bedarf im Winter decken könnten. Dazu müssten wir tonnenweise davon verzehren. Wir decken unseren Vitaminbedarf über Grünfutter, Heu und Kräuter.

Ach, eins noch zum Schluss: Karotten und Äpfel zermalmen wir mit unseren Zähnen anders als Hafer. Darum sind Zwei-Gänge-Menüs sinnvoll, um hastigem Essen und Schlundverstopfung vorzubeugen. Als ersten Gang kann man uns gerne den Hafer mit ein paar Kräutern servieren. Als zweiten Gang ein paar Karotten oder Rote Bete, und als krönenden Abschluss im dritten Gang vielleicht noch einen Apfel? Ich mein ja nur...

Bei dieser ganzen Abhandlung übers Essen habe ich jetzt einen Bärenhunger gekriegt, und muss dringend auf die Weide. Meine Freunde scharren auch schon ganz ungeduldig mit den Hufen.

Mittwoch, 18. März 2015

Hier ist der Wurm drin

Die Weidezeit rückt näher. Jedenfalls scharren wir alle schon ziemlich ungeduldig mit den Hufen. Aber vor dem Gras kommt erst einmal das große Entwurmen. Und zu diesem Thema werde ich mich heute einmal sehr dezidiert äußern.

Bisheriger Standard ist die vier- bis sechsmalige Entwurmung im Jahr, was in den meisten Reitställen sogar vertraglich festgelegt ist. Wenn es also ganz dicke kommt, werden wir alle zwei Monate vergiftet. Ich sage das so platt, weil es leider stimmt. Man muß es einfach einmal ganz klar sehen: Durch die chemischen Mittel werden nicht ja nur die Parasiten vernichtet, sondern es wird auch die Mikroflora unseres Darms massiv geschädigt. Und nicht nur die. Bedingt durch unsere relativ lange Darmpassage von zwei bis drei Tagen, bleiben auch die abgetöteten Würmer entsprechend lange im Körper. Da sie jedoch nach ihrem Tod sofort Verwesungsgifte bilden (was ganz normal ist), die durch die Darmschleimhäute resorbiert werden und in die Leber gelangen, ist das sozusagen der Vergiftung zweiter Teil. Untersuchungen zufolge nehmen Würmer auch Schwermetalle auf und binden diese. Nach ihrem Tod werden sie natürlich wieder frei und belasten somit zusätzlich unsere Entgiftungsorgange (Leber und Niere, Haut und Hufe) und das Immunsystem.

Nach Antibiotikagaben dauert es erfahrungsgemäß sechs Monate, bis die Darmflora einigermaßen wieder im Lot ist. Ähnlich verhält es sich bei Wurmkuren. Auch hier benötigt der Darm Zeit zur Regeneration. Die hat er aber kaum, wenn zwei Monate später schon wieder die nächste Dröhnung verabreicht wird. Und zwei Monate darauf erneut. Das bedeutet letztlich, daß sich die Mikrobesiedelung im Darm gar nicht mehr vernünftig aufbauen kann, weil die Phasen viel zu kurz sind. Mit anderen Worten: Mit der Zeit, wird die Zahl der „bösen“ Buben, die ich schon in meinem blogpost über Öl erwähnt habe, immer höher und die Zahl der guten Bakterien immer geringer, so daß die Abwehr von Keimen und Krankheitserregern von Mal zu Mal schwieriger wird. Wir bezahlen die vielen Wurmkuren mit einer fehlbesiedelten und zum Teil zerstörten Darmflora. Damit aber werden Krankheiten geradezu eingeladen. Zwar wird immer wieder - vor allem von der Pharmaindustrie und von tierärztlicher Seite - alles schöngeredet und behauptet, daß für gesunde Pferde überhaupt keine Gefahr bestünde und eine chemische Wurmkur völlig risikofrei sei. Konfrontiert mit den Vorgängen im Körper nach einer Wurmkur, schütteln die Veterinäre meist nur ungläubig oder unwirsch mit dem Kopf.

Selektive Entwurmung

 

Wenn das alles so harmlos und ungiftig wäre, warum verordnet man uns nach einer Wurmkur eigentlich zwei Tage Boxenhaft? Warum dürfen wir in der Nähe von Wasserschutzgebieten nicht äppeln? Wieso sterben manche Hunde, wenn sie unsere Äppel fressen, die von gerade entwurmten Pferden stammen? Das sind Fragen, die gar nicht oder nur unzureichend beantwortet werden. Solche Fragen hat man sich im Ausland offenbar schon viel früher und ergebnisorientierter gestellt. Italien, Holland, Finnland, Dänemark und Schweden haben den prophylaktischen Einsatz von chemischen Entwurmungsmitteln verboten! Es ist nur noch eine selektive Entwurmung erlaubt.

Auch hier hat inzwischen ein Umdenken begonnen. Diese hemmungslose Vergabe von Chemie hat zum gleichen Ergebnis geführt, wie der unkontrollierte Einsatz von Antibiotika: Resistenzen. Man hätte es wissen müssen! Also wird jetzt auch bei uns die selektive Entwurmung propagiert. Erst einmal Kotproben nehmen, untersuchen und bei Befall - und nur dann! - eine Wurmkur verabreichen. Nach einer Entwurmung müssen erneut Kotproben genommen werden, um resistenten Stämmen auf die Spur zu kommen. Damit ist ja schon einiges gewonnen. Wenngleich sich in der Praxis diese Maßnahme noch nicht so recht durchgesetzt hat. Denn die Methode hat ihren Preis: Pro Kotprobe muß der Pferdebesitzer mit rund 15 Euro rechnen. Bei mehreren Kotproben und mehreren Pferden summiert sich das.

Besonders heftig betroffen von chemischen Wurmkuren sind meine Artgenossen, die ohnehin schon angeschlagen sind. Sei es durch Allergien, Hufrehe, Kotwasser, Cushing, Borreliose, Headshaker und was es da sonst noch alles gibt. Wobei ich mir die Frage stelle, wie es zu all diesen Krankheiten kommt und wo die Übel des Wurzels liegt, aber das ist ein anderes Thema. Gerade diese Pferde reagieren auf Wurmkuren häufig mit verstärkten Symptomen, mit Reheschüben oder Koliken. Auch Ataxien, Verhaltensstörungen, Festliegen, Depressionen oder komatöse Zustände wurden nach Wurmgaben schon beobachtet. Ältere Pferde muss man ebenfalls im Auge behalten. Deren Immunsystem ist oft nicht mehr so fit wie bei jungen Pferden und auch der Stoffwechsel reagiert verlangsamt.

Dabei sind all diese Probleme mit den Wurmkuren hausgemacht. Nein, ich korrigiere, pharmagemacht. Denn wer hat uns die ganze Chose eingebrockt, wenn nicht die Pharmaindustrie? Sie hat die Wurmkuren entwickelt, damit die Kasse klingelt. Die Veterinäre verabreichen sie blind und der Pferdebesitzer vertraut ebenso blind darauf, daß das alles schon seine Richtigkeit hat. Die Dummen sind wir Vierbeiner.

Was haben wir Pferde eigentlich gemacht, bevor es die chemische Wurmkur gab? Sind wir gestorben wie die Fliegen? Mitnichten. Kräuter heißt das Zauberwort. Die gab es damals noch zuhauf und wir konnten uns gesundessen. Rainfarn beispielsweise, auch Wurmkraut genannt, wurde unseren Brüdern und Schwestern früher vorgesetzt oder sie fanden es am Wegesrand, wenn sie von schwerer Feldarbeit nach Hause trotteten. Ja, ja, ich weiß, der Rainfarn ist als giftig verschrieen. Das ist er aber auch nur, wenn er im Übermaße verzehrt wird. Aber wer macht das schon? Und gilt das nicht für alles? Dann ist da auch noch der Nierenfarn, der vor allem gegen Bandwürmer hilft. Das Problem ist, daß die meisten heute überhaupt keine Ahnung mehr haben von Kräutern und deren Wert für uns, und schon beim kleinsten Farbtupfer auf der Wiese regelrecht hysterisch reagieren.







 Rainfarn hilft gegen Wurmbefall











Wer weiß denn schon, daß auch die Hagebutte mit ihren pelzigen Pflanzenteilen Würmer regelrecht austreibt? Oder die Blätter der Walnuss mittels ätherischer Öle ein wurmunfreundliches Darmmileu schafft? Eine fast noch bessere Wirkung wird mit Meerrettich erzielt, dessen Senföle und ätherische Öle Würmer gar nicht erst heimisch im Darm werden lassen. Hilft sogar gegen die Einnistung von Magendasseln. Labkraut, Wermut und Pfefferminze gehören genauso zu den wurmunfreundlichen Pflanzen wie Kürbiskerne und Knoblauch.









Hagebutten treiben nicht nur 
Würmer aus, sondern 
enthalten auch viel Vitamin C











Es gibt also eine ganze Reihe von Kräutern, die wir selbst knabbern könnten und auch tun würden, wenn, ja wenn unsere Weiden auch mit den entsprechenden Pflanzen bestückt wären. Doch dort sieht es leider mau aus. Grün, soweit das Auge reicht. Aber Grün allein genügt nicht. Es wäre schön, wenn die Zweibeiner diesbezüglich „back to the roots“ kehrten und echte Kräuterwiesen anlegten, auf denen wir uns bedienen könnten. Wir wissen nämlich schon sehr genau, was unser Organismus benötigt. Die Eigenversorgung ist aber leider die Ausnahme, es sei denn man grast auf Almenwiesen. Darum sind wir darauf angewiesen, daß unsere Zweibeiner uns mit notwendigen Kräutern versorgen und nicht mit synthetischen Mineralien oder Müslis, aber das ist ein anderes Thema.

Manche werden vielleicht fragen, ob man auch mit homöopathischen Mitteln arbeiten kann. Ja, auch das geht. Welche Mittel und Dosierung sollte jeder Pferdehalter aber ganz konkret mit einem erfahrenen Tierheilpraktiker besprechen.

Eines darf man bei der ganzen Diskussion auch nicht vergessen: Wurmfrei werden wir nie, waren wir nie und das ist auch gar nicht notwendig. Würmer, so sinnfrei und eklig das manche finden, leben mit uns in einer symbiotischen Verbindung. Natürlich sind zuviele Würmer ungesund und können uns auch erheblichen Schaden zufügen, wenn sie etwa andere Organe befallen, wie die Lungenwürmer. Das ist gefährlich und muß behandelt werden. Solche Fälle treten aber nur sehr selten auf, bevorzugt bei Pferden, die sich mit Eseln eine Wiese teilen, weil Esel Wirte von Lungenwürmern sind.

Fohlen bevorzugt

 

Und noch etwas: Würmer bevorzugen Fohlen und junge Pferde bis zu drei Jahren. Warum? Klar, weil das Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist. Das ist wie bei Menschenbabies. Die sind auch dauernd krank, weil das Immunsystem erst lernen muß, sich gegen Krankheitserreger zu wehren. Hat das Abwehrsystem eines Pferdes die Übeltäter erkannt und entsprechende Antikörper entwickelt, haben auch Würmer keine Chance mehr, die Überhand zu gewinnen. Man lebt in friedlicher Koexistenz. Denn für eines sorgen die Würmer auch: Daß unser Immunsystem immer auf Habachtstellung bleibt.

Es liegt auch nicht in der Absicht eines Parasiten, genauer gesagt eines Endoparasiten, wie es der Wurm ist, seinen Wirt zu zerstören, sonst geht auch seine Nahrungsquelle unter. Ziel eines Parasiten ist es, zum Symbionten zu werden, also mit seinem Wirt in einer gut funktionierenden Symbiose zu leben. Frei nach dem Motto: leben und leben lassen. Und unser Organismus kann mit einer gewissen Anzahl von Würmern problemlos umgehen. Vorausgesetzt unser Immunsystem ist intakt. Das allerdings bedingt eine artgerechte Ernährung. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Fazit: die chemische Wurmkur sollte nur in absoluten Notfällen verabreicht werden. Nämlich dann, wenn ein Wurmbefall nachgewiesen ist. Dafür werden an drei aufeinanderfolgenden Tagen Pferdeäpfel gesammelt und auf Wurmeier untersucht. Werden weniger als 200 Wurmeier pro Gramm (EPG = Eier pro Gramm) im Pferdemist gefunden, ist das der Idealfall und bedarf keinerlei Behandlung. Was zwischen 200 und 3000 Wurmeiern pro Gramm liegt, muß individuell entschieden werden. Bei 300 ist mit Sicherheit noch kein Alarm notwendig. Erst wenn sich die Eizahl im vierstelligen Bereich bewegt und auch äußere Anzeichen beim Pferd für einen Wurmbefall sprechen, besteht Handlungsbedarf. Ab 3000 gilt der Befall als besorgniserregend.

Schwierig nachzuweisen sind Bandwürmer. Selbst mehrere Kotproben führen oft zu keinem Ergebnis. Auch Magendasseln, wobei es sich hier nicht um Würmer, sondern um die Magendasselfliege handelt, finden sich nicht über den Kot, da die Larven der Fliege rund zehn Monate in unseren Mägen die Möglichkeit haben, zu wachsen. Erst zu Beginn der warmen Jahreszeit werden die Larven ausgeschieden und sind dann im Kot erkennbar. Prophylaktisch ist es daher wichtig, etwa ab Juni, wenn die Magendasselfliege ihre Rundflüge unternimmt, unser Fell täglich auf die kleinen gelben Eier zu untersuchen, die bevorzugt an den Vorderbeinen und in der Mähne abgelegt werden. Sie sind sehr gut zu erkennen und sollten umgehend entfernt werden, bevor wir sie abknabbern und sie somit in unseren Körper wandern. Da unsere Zweibeiner ja meistens ziemlich pfiffig sind, haben sie herausgefunden, daß das mit Einmalrasierern gut funktioniert oder mit einem speziellen Dasselmesser. Für die Mähne ist ein Flohkamm, wie er für Katzen benutzt wird, am effektivsten. Wer das konsequent macht, kann uns die chemische Keule ersparen.

Als Maßstab für eine chemische Wurmkur sollte immer der gesamte Gesundheitszustand eines Pferdes im Zentrum stehen.

Zu den auffallenden Merkmalen, die für einen Wurmbefall sprechen könnten, gehören:

  • Gewichtsabnahme, trotz gutem Appetit
  • Struppiges, glanzloses Fell
  • sog. Hungerhaare, die als Einzelhaare unter dem Bauch auftreten
  • unerklärlicher Durchfall (ohne Futterwechsel)
  • Koliksymptome
  • Mattigkeit, abnehmende Leistungsbereitschaft
  • Juckreiz am After mit Schweifscheuern
  • Husten- und Nasenausfluss (aber nur bei Lungenwürmern)
  • Kau- und Schluckbeschwerden (bei Magendassellarvenbefall)

Dann heißt es, handeln. Aber auch hier mit Augenmaß und vor allem, nach einer chemischen Wurmkur alles tun, um die gestörte Darmflora wieder aufzupäppeln. Beispielsweise mit Kräutern wie Brennessel (getrocknet), die beim Ausleiten helfen. Anis, Kümmel und Fenchel sind Balsam für den Darm. Und Yea Sacc, die Lebendhefe, ist sehr empfehlenswert, da sie zur Stabilisierung der Darmflora beiträgt, indem sie die Bildung nützlicher Bakterien unterstützt. Hefe wirkt auch gut bei Pferden, die mit Kotwasser auf Wurmkuren reagieren oder die generell unter Kotwasser leiden.

Die beste Prophylaxe gegen Wurmbefall, jeder weiß es, ist das konsequente Kotabsammeln. Auf dem Paddock und der Weide - auch wenn es mühsam ist.

Montag, 9. März 2015

Klartext zur Ölfütterung

Da bin ich wieder. Hat etwas länger gedauert als geplant, wofür es natürlich auch Gründe gibt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Heute machen wir einen Ausflug in die Biochemie. Kein ganz leichtes Thema. Aber ich will euch etwas über das Öl erzählen. Das Thema Ernährung ist ohnehin ein weites Feld, und es gibt dazu mindestens so viele Meinungen wie es Futtermittelhersteller, Tierärzte und Experten, die echten und die selbsternannten, gibt. Überhaupt, was die Ernährung angeht, werdet ihr noch viel von mir lesen.

Aber jetzt erst mal zum Öl. Und bevor ich ins Detail gehe, sei nur eines vorweg angemerkt: Wieviele freilebende Pferde sind bekannt, die an der Ölflasche nuckeln? Unsere drei Zweibeiner haben sich viele Gedanken gemacht und sich gegen das Öl entschieden. Man muß uns ja nicht künstlich krank machen, oder? Insofern sind meine Freunde und ich ölfrei. Und es geht uns prima dabei;-)
 
Öl in der Pferdefütterung gibt es schon seit geraumer Zeit. Das ist irgendwann in Mode gekommen, weil irgendjemand dieses Märchen in die Welt gesetzt hat, es helfe beim Fellwechsel und liefere Energie. Beim Wort Energie wurden vor allem die Besitzer von Sportpferden hellhörig. Hinterfragt hat das offenbar niemand, und so wurde der „Schuss“ über das Krippenfutter zur Gewohnheit.

Aber stimmt das alles überhaupt? Hilft es wirklich beim Fellwechsel und brauchen Pferde Öl für mehr Energie? Meinen bescheidenen Kenntnissen nach zu urteilen, gibt es weder zur einen noch zur anderen These irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse von den Zweibeinern.

Das wichtigste Futter, das wir benötigen, ich kann es gar nicht oft genug sagen, ist Heu und zwar ad libitum. Darüberhinaus gutes Mineralfutter, am besten Kräutermineralien, denn die ganze Palette mit den synthetischen Zusätzen, die vertragen wir nämlich genausowenig wie das Öl. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Und dann vielleicht noch ein bißchen Hafer, ein paar Äpfel und Möhren. Das reicht völlig, schmeckt und ist gesund.

Anders als Öl. Das ist für uns gesundheitsschädlich, denn unser Verdauungssystem ist auf eine Ölverwertung überhaupt nicht angelegt. Wir können dieses Öl nicht resorbieren, also aufnehmen. Um Öl resorbieren zu können, bedarf es zunächst einmal einer Emulgierung, damit sich die Fettenzyme (Lipasen), die das Öl aufspalten, andocken können. Öl ist eine schwer zu verschmischende Flüssigkeit. Wer das mal mit Wasser und Öl probiert hat, weiß, wovon ich rede. Diese Emulgierung besorgt die Galle, indem sie die unlöslichen Stoffe des Öls in kleine Tröpfchen zersetzt, so daß die Enzyme ihre fettspaltende Aufgabe wahrnehmen können. Anders als der Mensch besitzen wir allerdings keine Gallenblase, wo normalerweise die Galle gespeichert wird, die übrigens von der Leber produziert wird. Das heißt im Klartext: Bei uns wird die Galle direkt von der Leber aus in den Dünndarm abgegeben und zwar kontinuierlich in kleineren Mengen. Denn unsere Galleproduktion ist an die Rauhfutterverdauung angepasst und die enthält kaum Fette. Es wird nicht ausreichend emulgiert und so können keine Lipasen ansetzen, die die Fettsäuren aufspalten. Zumal wir ohnehin nur wenig Lipasen bilden, da wir kaum Fettsäuren aufnehmen. Schließlich sind wir Veganer.

Der nächste Punkt sind die Bakterien. Öl vernichtet Bakterien. Das ist für die Konservierung von Lebensmitteln, wie beispielsweise Antipasti, Käse, Pilze oder Fisch völlig in Ordnung, dafür wird es auch eingesetzt.

Öl  tötet Bakterien, auch die wichtigen

 

Das bedeutet für uns allerdings auch: Öl tötet Bakterien in unserem Darm. Und dort, das ist euch Zweibeinern bekannt, sitzt die Gesundheit. Wenn die Darmflora durcheinandergerät, wie etwa bei Antibiotikagaben, dann kann das für das Immunsystem katastrophal werden, weil es gegen krankmachende Keime nicht mehr adäquat reagieren kann. Zweifellos gibt es Situationen, in denen Antibiotika gegeben werden müssen, das kann ja manchmal Leben retten. Aber gleichzeitig werden wichtige Darmbakterien zerstört, so daß ein gefährliches Ungleichgewicht entsteht.

Und genau das geschieht bei der Ölfütterung. Wie ihr gerade gelesen habt, produzieren wir kaum Lipasen, weil wir sie nicht benötigen. Daher kann das Öl im Dickdarm zu einer drastischen Abtötung von Darmbakterien führen, was natürlich eine schwere Schädigung der Darmflora zur Folge hat. Zudem wird der Futterbrei mit einem Ölfilm überzogen, so daß er durch die Futterpassage flutscht und essentielle Nährstoffe gehen verloren, weil beispielsweise Stärke, Eiweiße und Cellulose nicht richtig aufgespalten und damit auch nicht mehr vernünftig verwertet werden können. Das heißt, selbst die Bereitstellung von Energie aus unserem so wichtigen Rauhfutter wird dadurch eingeschränkt.

Öl zerstört also lebenswichtige Bakterien, die wir für unsere Verdauung benötigen. Von den meisten werden diese Winzlinge immer als Krankmacher angesehen. Das ist aber nur bedingt richtig. Denn der Organismus benötigt auch Bakterien, um bestimmte Vitamine zu produzieren, wie etwa die Vitamin-B- und K-Komplexe, oder Säuren, die keimtötend bzw. wachstumshemmend sind. Das heißt, gute und „böse“ Bakterien bilden eine Symbiose, die für uns Pferde (und auch für euch) wichtig ist. So fungieren beispielsweise die guten als Barriere, um schädliche Mikroorganismen abzuwehren. Wenn aber die guten vernichtet werden, können sich die „bösen“ Buben hemmungslos ausbreiten.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Fell. Die meisten Pferdebesitzer schwärmen von unserem ach so schön glänzenden Fell, wenn sie uns Öl in die Krippe gießen. Wie schwierig bis unmöglich die Ölverdauung für uns ist, wisst ihr nun. Trotz allem ist unser Körper gezwungen diese unerwünschte Flüssigkeit aufzunehmen, und der Darm absorbiert notgedrungen das sogenannte Fremdfett. Für uns heißt das: raus aus dem Körper, so schnell wie möglich. Einmal über die Verdauung und wenn das nicht mehr ausreicht, müssen wir den Weg über die Haut gehen. Das Öl wird also über die Talgdrüsen der Haut ausgeschieden. Na, geht euch ein Licht auf? Das ist der Grund, warum wir glänzen wie Speckschwarten in der Sonne. Nicht, weil uns das Öl so gut bekommt, sondern weil unser Stoffwechsel total überlastet ist und wir verzweifelt versuchen, das Ganze wieder loszuwerden! Das beste während des Fellwechsels ist Fellpflege und wälzen, wälzen, wälzen...





Macht nicht nur Spaß, sondern ist auch wichtig. Links sind Poker und Lenardo in action, unten bin ich es höchstpersönlich

Ich denke, ich habe jetzt genügend Gründe genannt, dieses vermeintlich hypergesunde Öl wegzulassen. Stellt uns gutes Heu ad libitum zur Verfügung. Das habe ich ja schon erwähnt. Und wenn ihr uns wirklich etwas Gutes tun wollt, dann gebt uns ein-, zweimal pro Woche einen Esslöffel ölhaltige Samen wie Sonnenblumenkerne oder Leinsamen über den Hafer, der übrigens auch Ölsäuren enthält. Solche kleinen Mengen sind für uns gut verträglich und auch leicht verdaulich.

Und wie wäre es zusätzlich mit einer Handvoll Hagebutten täglich? Die enthalten nämlich nicht nur ungesättigte Fettsäuren, sondern auch eine ganze Menge Vitamin C. Und sie haben Haare an den Kernen, was wiederum Würmer nicht mögen. Aber das ist eine andere Geschichte.


Freitag, 20. Februar 2015

Hallo, das sind wir und so leben wir

Bevor ich loslege, und meine lebenswichtigen Informationen unters Volk streue - keine Sorge, zwischendurch gibts auch ein bißchen Klatsch und Tratsch - stelle ich meine kleine Herde vor. Meine, weil ich der Chef bin. Von Anfang an. Das hat sich irgendwie zufällig so ergeben, weil keiner von den anderen den Job wollte. Also habe ich mich breitschlagen lassen. Die anderen sind zufrieden und ich denke, ich mache das ganz gut. Jedenfalls bin ich keiner von dieser tyrannischen Sorte. Ohren anlegen reicht in der Regel. Nur die Kleine kriegt hin und wieder meine Zähne zu spüren. Die ist aber auch sowas von frech und ungezogen. Seit ich da bin, ist es zwar schon besser geworden. Aber insgesamt ist sie reichlich respektlos. Von den anderen wird sie auch manchmal ganz schön gejagt, wenn sie sich wieder daneben benommen hat. Dann kommt sie immer zu mir angelaufen und sucht Schutz. Den gewähre ich meistens auch, es sei denn sie hat den Bogen überspannt, dann gibts auch von mir eine Lektion.

Ich komm schon wieder ins Plaudern, dabei wollte ich doch meine Herde vorstellen. Ladies first, als Gentleman fange ich natürlich mit meiner Dame an. Sie ist mit 24 unser Oldie und heißt Ria Walena, genannt Ria, Riechen, Omi oder Lotte, je nachdem wer von den Zweibeinern gerade da ist. Bevor sie zu ihrem jetzigen supernetten Menschen kam, war ihr Leben nicht gerade berauschend. Sie mußte nämlich im sogenannten Großen Sport Dressuraufgaben abliefern. So ein paar Cracks mit großen Namen, die ich jetzt nicht nennen möchte, scheuchten sie Jahr für Jahr durchs Viereck. Mit dem Ergebnis, daß sie heute Arthrose hat. Auf allen vier Beinen. Als sie nicht mehr konnte, wurde sie abgeschoben. Aber sie hatte Glück und kam in liebe Hände. Jetzt genießt sie ihre Rente, mit allem was dazu gehört: Freunden, Freilauf, Kräuterchen und Pülverchen und Heucobs und Streicheleinheiten.

Dann ist da noch Poker, der ist 21 und Rias Freund und gehört auch dieser netten Frau. Die beiden kamen vor etwa zwei Jahren und wir haben uns alle auf Anhieb verstanden. Was ja auch nicht immer klappt und einfach ist, wenn man so zusammengewürfelt wird und kein Mitspracherecht hat. Aber das ist ein anderes Thema. Poker ist übrigens das, was man ein Endmaßpony nennt, also eine Spur kleiner als ich;-). Lenardo ist der vierte im Bunde. Ihm habe ich es zu verdanken, daß ich überhaupt in diese Herde gekommen und zum Chef aufgestiegen bin.

Ein Freund, ein guter Freund...

 

Lenardo ist 19 und war 13 Jahre lang mit seinem Freund Bobbie zusammen. Die beiden gingen durch dick und dünn, waren ein Herz und eine Seele. Das hat er mir einmal in einer lauen Sommernacht erzählt. Aber dann ist Bobbie gestorben, völlig überraschend an so einer blöden Kolik. Kolik ist überhaupt das Schlimmste für uns, außer Hufrehe. Aber das ist auch wieder ein anderes Thema. Nach Bobbies Tod war natürlich die Welt aus den Fugen. Für Lenardo und seine beiden Menschen sowieso. Jetzt war er nämlich mit einer fürchterlich zickigen Stute allein und völlig durch den Wind. Nachdem die Menschen sich einigermaßen berappelt hatten, beschlossen sie, wieder einen Freund für Lenardo zu finden, der übrigens auch aus dem Geschlechte derer von Holstein stammt.

So kam ich ins Spiel. Und wenn die mich nicht aus Sachsen geholt hätten, wäre ich mit 16 Jahren in der Wurst gelandet. Nett, oder? Ja, mein Problem war, daß ich einen Lungenschaden habe. Na ja, besser Lungenschaden als Dachschaden sag ich immer. Aber die Menschen, bei denen ich war, wollten eigentlich einen Spring-Champion aus mir machen. Weil ich so schöne lange Beine habe, hätte das sicherlich funktioniert. Aber ich bin immer so schnell aus der Puste geraten. Da haben sie einen Arzt geholt und der hat das mit der Lunge festgestellt. Dann habe ich ganz lange nichts gemacht. Schließlich sollte ich verkauft werden. Und wenn kein Käufer gekommen wäre, hätten sie mich als Würstchen auf den Grill gepackt. Aber das Glück war mir hold und eines schönen Sommertages vor fast drei Jahren traf ich dann auf Lenardo. Wir haben uns auch sofort verstanden. Das wundert mich jetzt aber nicht. Schließlich haben wir dieselbe Abstammung, sogar denselben Großvater. Und wenn man sich dann noch unsere Namen anschaut: Leandro und Lenardo. Leandro ein bißchen gewürfelt und was kommt dabei raus? Richtig, Lenardo. Da konnte einfach nichts schiefgehen;-)

Nun waren wir also zu zweit, Lenardo und ich. Aber unsere Menschen fanden, daß das doch noch ein bißchen dürftig ist für ein ordentliches Herdenleben. Noch zwei Pferde wäre schön. Am liebsten zwei Großpferde, Wallache, bloß keine Stuten, die seien so zickig. Aber wie das Leben so spielt, kamen dann letztlich ein Pony und eine Stute zu uns. Und wir sind seither eine eingeschworene Gemeinschaft.

Als letzte kam Lilly, dieser Pferdezwerg von einem Shettlandpony. Sie hatte ihre Freundin Emma verloren, die war an Krebs gestorben. Und da sie auf den Hof gehörte, wo wir alle stehen, haben die Menschen gesagt, sie probieren es einfach mal bei uns aus. Wehrhaft ist sie ja, die Kleine. Wir haben allerdings keinen Zweifel daran gelassen daß sie uns zu gehorchen hat, daß wir aber bereit sind, ihr Asyl zu gewähren. Und so lebt sie nun auch schon seit fast zwei Jahren bei uns. Sie ist zehn, verfressen, wie es sich für ein Pony gehört und wie schon gesagt, einfach rotzfrech. Trotzdem hat sie sich ganz gut in die Herde integriert. Blieb ihr ja auch nichts anderes übrig, sonst hätte es was gesetzt von uns. Nun sind wir also Viereinhalb, denn Lilly zählt ja nur zur Hälfte;-)

Genug der Worte, jetzt ein paar Bilder, denn auch optisch macht unsere Herde was her:


Vorne links ist meine Wenigkeit, dahinter Ria, dann Lenardo und der Typ ohne Kopf ist Poker. Wir haben zwar mehr als ein Heunetz, aber gemeinsam knabbern macht einfach mehr Spaß.











Hier werden ein paar Zweige vernascht: Links Ria, in der Mitte Lenardo, auch nachts unschwer an seiner heissen Blesse zu erkennen und neben ihm Poker, diesmal mit Kopf.











Mit Pferdezwerg Lilly habe ich mir ein paar Zweige geteilt. Hmm, ihr fehlt ja auch der Kopf. Muß mal mit dem Fotografen ein ernstes Wort reden. Hinter Lilly geht Omi, sucht sich wohl was eigenes.









So muß ein Pferdeleben aussehen: 24 Stunden Auslauf und ständig was zwischen den Zähnen. Brauchen wir ja auch, schließlich sind wir Dauerfresser, weil unsere Verdauung so angelegt ist. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Und nun Schluß mit der Vorstellung. Ich hab jetzt zu tun, denn der Hufschmied ist im Anmarsch. Ein sehr netter Kerl.